2006: Tagung in Ludwigslust

Gespeichert von heinrich am Mi, 08/02/2017 - 19:14

XV. Internationales Pferde- und Fahrsportsymposium in Ludwigslust und im Landgestüt Redefin vom 3.-5. März 2006

Pferde- und Fahrsportbegeisterte aus Deutschland und anliegenden Ländern trafen sich zur Mitgliederversammlung der „Vereinigung zur Pflege und Förderung der Fahrkultur und des Fahrsports e.V“ im Landhotel „de Weimar“ in Ludwigslust in Mecklenburg/Vorpommern. Es ist bereits Tradition, dass am Vorabend der Tagung zu einer Mitgliederversammlung eingeladen wird.

Leider hatte sie diesmal einen traurigen Auftakt. Rainer Luhr und Hans Peter Eggers sind verstorben. Ihrer wurde in Ehren gedacht.

Nach Mitgliederversammlung und Stärkung berichtete Dr. Richter über die gelungene Exkursion unserer Vereinigung nach Ungarn. Erinnerungen wurden wach und bei den Neulingen Appetit geweckt für die nächste Fahrt im Herbst nach Holland und Belgien. Freiherr von Senden referierte danach mit herrlichen Bildern und sachkundigen Kommentaren über den CIAT im Mai 2005 in Het Loo in Apeldoorn.

Den Reigen der Vorträge eröffnete am Samstagmorgen, nach kurzer Begrüßung durch den Präsidenten, Landstallmeister Hartmut Platzek mit dem Thema „Pferdezucht in Mecklenburg / Vorpommern“.

Die Anfänge der Pferdezucht lagen im Jahre 1316. 1710 wurde das Zuchtgestüt für den herzoglichen Marstall gegründet, 1797 ein Hauptgestüt eingerichtet. 1803 entstanden das erste Zuchtregelement und eine Deckgeldordnung (Bessergestellte hatten mehr Deckgeld für ein und denselben Hengst zu entrichten). 1810 entstand unter Landstallmeister v. Bülow das Landgestüt.

Die Baumeister Barku und Wünsch erbauten 1812 das Gestüt Redefin. Ab diesem Zeitpunkt existiert auch das Brandzeichen „R“ mit der Krone. Die erste deutsche Rennbahn entstand in dieser Zeit in Bad Doberan1822. Die Mecklenburger Pferdezucht kam nun zur Hochblüte. Der Niedergang folgte 1847, auch durch zu hohen Vollblutanteil und daraufhin die Auflösung vom Hauptgestüt Redefin. Wegen der guten Klima- und Bodenverhältnisse wurden hier schon immer Hannoveraner Fohlen aufgezogen, die ab 1870 eingekreuzt wurden. Das rettete das Mecklenburger Pferd „auf Hannoveraner Basis“. 10636 Bedeckungen erfolgten 1919. Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch waren 1931 noch 76 Hengste mit 2200 Bedeckungen vorhanden. Nach der Wende 1993 wurde das Landgestüt neu gegründet.

Nächster Punkt war der Vortrag von Dr. Karl Blobel über die Bedeutung der röntgenologischen Befunde bei der Ankaufsuntersuchung. Der Gesundheitszustand des Pferdes sei wesentlich für die Nutzungsart und Nutzungszeit des Pferdes, aber keine Garantie wie bei einem Fahrrad. Von 6682 untersuchten Pferden seien nur 37% ohne Befund, 41% haben Befunde, 22% sogar gravierende. 41% der Befunde ist interpretierbar, sollten daher nicht überbewertet werden. Allerdings sei der klinische Befund von wesentlicherer Bedeutung. Das Risiko sei immer noch beim Käufer. Reklamationen kämen kaum aufgrund des Röntgenbildes. Die wesentlichen Mängel seien nicht genetisch begründet, sondern sind Haltungsschäden (Bewegungsmangel, Lichtmangel). Manches sei operabel. Bei manchen Befunden sei zu fraktioniertem Kauf zu raten. Der lehrreiche Vortrag erstreckte sich wegen des großen Interesses weit über die vorgesehene Zeit hinaus.

Es folgte Frau Mendyka über fachgerechte Restaurierung und Kopien historischer Kutschen. Jede Restaurierung erfolge mit dem Ziel der Benutzbarkeit. Pläne und digitalisierte Bilder führten zum 1:1 Plan. Besonderen Wert werde auf die Lackierung gelegt. Fotos demonstrierten den Aufbau einer restaurierten Kutsche und die Herstellung der Replik. Die1989 gegründete polnische Firma mit 65 Mitarbeitern stehe auch Besuchern offen.

Weiter ging es mit Firma Bökmann: Der sichere Pferdetransport. Durch Gummistrang - Federung hätten sich neue Fahreigenschaften ergeben. An neuen Böden gebe es den Kunststoffbeschichteten Holzboden, er ist gut, solange die Beschichtung nicht beschädigt ist, besser sei der Aluboden. Leergewichte seien ehrlich mit 900 bis 1000 kg anzusetzen; besser sei es, jeden Anhänger leer und voll zu wiegen. 7,49 t LKW mit 4 Pferden gebe es nicht (immer überladen). Entsprechend wäre bei 2 Pferden der 3,5t LKW immer überladen. Das erlaubte Gesamtgewicht für 100 km/h errechne sich aus dem Zugfahrzeugsgewicht mal 1,1 oder mal 1,3 mit Antischlingerkupplung. Führerschein „B“ erlaube Anhänger bis 750 kg, „BE“ Anhänger jeder Art. Pferde würden sich schräg zur Fahrtrichtung stellen. Eine Stufe werde leichter angenommen als eine Schräge. Abladen gehe über die Schräge besser, oder vorne hinaus über eine Schräge. Geteiltes Echo fanden die Neuheiten, die in natura vorgeführt wurde.

Der Maler und Lackierermeister Horst Philipp sprach mit dem Herzblut des soliden Handwerkers über die farbliche Restaurierung von Kutschwagen von Grund auf. Nur Zerlegtes solle man streichen, nur ein sauberer Untergrund verspreche Erfolg. Empfohlen wurde das Abschleifen mit Maschinen und Sandpapier von grob bis fein in Faser-Richtung, danach wird abblasen. Die Spachtelmasse sollte aus Schleifstaub und Leim oder Zwei-Komponentenmasse bestehen. Der Fachmann empfahl 2 Zwischenanstriche, 2 Kunstharz -Anstriche und zwischendurch jedes Mal Schleifen. Das gelte bei farblosem Lack; deckende Anstriche müssten mit denselben Arbeitsgängen ausgeführt werden. Auf Eisenteile sollte Rostsiegel und zwei Lagen Grundierung aufgetragen, dann zweimal gestrichen werden. Liniert werde mit Linierrädchen oder es wird geklebt. Die fertige Kutsche sei mit dem Dampfstrahler nur in gebührendem Abstand zu reinigen. Danach wird sie ausgeblasen und mit trockenen, saugenden Tüchern getrocknet. Kutschen sind kühl und trocknen unterzustellen und vor Sonne zu schützen.

Dr. Gerd Ricker referierte über Hauterkrankungen bei Fahrpferden unter Berücksichtigung von Druckstellen durch das Geschirr. Schlecht sitzende, verschmutzte Geschirre führten oft erst nach Stunden nach dem Abschirren zu Schwellungen oder nässenden Stellen bis zu nässenden, kraterförmigen Wunden. Indiziert sei Kühlen mit Wasser, Medikamente seien zunächst unnötig. Hautnekrosen folgten oft erst nach Tagen. Die Heilung dauere bei einfachen Quetschungen 10 bis 14 Tage, Hautnekrosen bis zu 4 Wochen, tiefe Entzündungen 6 bis 8 Wochen. Es blieben kleine weiße Fellpunkte. Genickbeulen und Fisteln erforderten den Tierarzt. Chemische Dermatitis entstehe durch Überempfindlichkeiten gegen Farbpigmente oder Pflegemittel beim Geschirr. Häufige Pilzinfektionen machten nur unter begünstigenden Bedingungen krank. Zu viele Pferde auf engem Raum, hohe Luftfeuchtigkeit und wenig Sonnenlicht begünstigten Pilzinfektionen. Pilze könnten auch Menschen anstecken. Es folgte noch ein interessanter Streifzug durch alle möglichen Pilz- und Schädlingserkrankungen.

Lenka Gotthardova, die Leiterin des tschechischen Nationalgestüts Kladruby, beendete die Vortragsreihe mit einer gelungenen Videopräsentation ihres Gestüts.

Per pedes ging es zum Museum „- Für Herzogliche Wohnkultur – Großherzogliche Mecklenburger Fahrpost und historische Kutschen“. Eindrucksvoll war die Führung unseres Vereinsmitglieds Heinz Bofinger, der maßgeblich an der Einrichtung dieses Museums mitgewirkt hat.

Mit einem Streicherduo der Kreismusikschule Ludwigslust wurde der Gesellschaftsabend eröffnet, mit guter Küche und Service des Hauses abgerundet und gekrönt durch einen Sketch von Professor Grieser mit seiner Gemahlin in barocker Kleidung als Herzogspaar. Mit Tanzmusik klang der gemütliche Abend aus.

Am Sonntag trafen sich die Tagungsteilnehmer im Schneegestöber zur Führung im Landgestüt Redefin. Das schreckliche Wetter tat der freundlichen Führung durch dem Landstallmeister Hartmut Platzek keinen Abbruch. Die gelungene Wiederherstellung des alten Reithallenportals mit Giebelerweiterung und der sich dahinter verbergenden modernen Halle gibt dem ganzen Gestüt eine besondere Prägung. In der Reithalle erwarteten uns schon 3 Hengste, die trotz langer, interessanter Ausführungen des Landstallmeisters in Ruhe und Gelassenheit auf ihren Einsatz warteten. Von Herrn Fincke gab es für diesen Auftakt schon mal die Note „9“ für die Pferde. Die weitere Präsentation von Zuchtmaterial und von Reit- und Fahrkünsten beendeten unseren Aufenthalt in Redefin und hinterließen bei allen Teilnehmern einen bleibenden Eindruck.

Otto Dietrich Graf Egloffstein